[5] Ergebnisse Tool

Auswahl

Die skizzierten kommunikativen Anforderungen der drei Gruppen von Menschen mit Behinderungen bilden die Grundlage für die Suche nach für Partizipationsverfahren geeigneten digitalen Tools. Als „digitale Tools“ werden hier alle Arten von Software verstanden, die im Internet mehr oder weniger strukturierte Kommunikation ermöglichen.

Genauer gesagt handelt es sich in der Regel um eine Kombination verteilter Software-Anwendungen. So setzt beispielsweise ein Austausch per Mail bei allen Beteiligten („Usern“) ein Mail-Programm („Client“, „App“, „Webmailer“) zum Schreiben und Lesen von Mails voraus. Zum Austausch der Mails ist aber auch ein Mailserver sowie weitere Internet-Infrastruktur erforderlich. Als Tools kommen hier in erster Linie Server-Software für strukturierte Kommunikation in Frage, die Beteiligte mit von ihnen sowieso genutzen Apps oder Programmen (z.B. Internetbrowsern) bedienen können.

Anforderungen an das Tool

Für eine Auswahl reicht es allerdings nicht aus, nur die kommunikativen Anforderungen aller Beteiligten zu berücksichtigen. Denn aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen, hier vor allem derjenigen mit Sehbehinderung/Blindheit, ist gestalterisch-technische Zugänglichkeit eine ebenso notwendig zu erfüllende Anforderung wie die allgemeinen Grundlagen digitaler Barrierefreiheit:

  • Wahrnehmbarkeit,
  • Verständlichkeit,
  • Bedienbarkeit und
  • die extrem wichtige Robustheit.

Dazu kommen aber auch alle Anforderungen, die sich aus der geplanten Durchführung des Partizipationsverfahrens ergeben, seien es finanzielle, organisatorische oder technisch-administrative.

Synchrone Kommunikation

Wichtig für die Suche und Auswahl geeigneter Tools ist zudem eine möglichst genaue Beantwortung der Frage, wozu das Tool oder die Tools dienen soll. Vor allem gilt es zu bedenken, welche Schritte oder Phasen des Partizipationsverfahrens unterstützt werden sollen oder müssen und welche methodischen und kommunikativen Anforderungen sich daraus ergeben.Im Projekt Partii konzentrieren wir uns auf den ersten Teil des geplanten Partizipationsverfahrens, das Einsammeln von Bürgerfragen und Ideen an die Wissenschaft. Dieses Einsammeln kann methodisch und damit kommunikativ sehr unterschiedlich gestaltet werden. Ein gemeinsames Brainstorming in Kleingruppen ist genauso möglich wie individuelle Befragungen interessierter Bürgerinnen und Bürger oder moderierte Diskussionen in Anschluss an Impulsvorträge.

Der entscheidende Nachteil bei all diesen synchronen Kommunikationsformen ist allerdings, das sie verhältnismäßig aufwändig sind. Teilnehmende müssen sich an einem gemeinsamen Ort oder zumindest zu einer gemeinsamen Zeit versammeln, die Gruppengröße bzw. Teilnehmerzahl ist beschränkt. Es sind Moderatorinnen, Interviewer oder Vortragende erforderlich und die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen erfordert umfangreiche, auch behinderungsspezifische Vorkehrungen wie zum Beispiel die Barrierefreiheit des Veranstaltungsorts oder die Einbeziehung von Gebärdensprachdolmetscher*innen.Bei der Nutzung asynchroner Kommunikationsmittel hingegen kann, zumal auf digitalen Wegen, besser auf die technischen Anforderungen und kommunikativen Bedürfnisse von Menschen auch mit unterschiedlichen Behinderungen eingegangen werden, ohne das der Aufwand zu hoch wird.

Asynchrone Kommunikation

So lassen sich Gebärdensprachvideos einbetten, Internetseiten so gestalten, dass sie sowohl von Screenreadern problemlos erfasst werden können als auch alle Arten von Sinnesreizen äußerst sensibel handhaben. Ein weitere Vorteil asynchroner digitaler Kommunkation liegt auf der Hand: Sie ist inklusiver und im besten Falle diskriminierungsfrei, da jeder und jede die angebotenen Informationen auf die jeweils bevorzugte Weise rezipieren und ebenso Fragen oder Ideen auf unterschiedliche Weise abgegeben kann.

Klassische Websites bieten Lösung

Gesucht wurde von uns also ein Tool, das es zunächst ermöglicht, Informationen über das Partizipationsverfahren bereitzustellen, damit diese für jede unserer drei Zielgruppen und natürlich für Menschen ohne Behinderungen wahrnehmbar sind.Diese Aufgabe lässt sich prinzipiell mit klassischen Websites lösen, die in der Regel mit Hilfe eines Content Management Systems (CMS) erstellt werden. Dabei sind allerdings die spezifischen Anforderungen der MmB zu berücksichtigen (vgl. Anforderungen Zugänglichkeit und Anforderungen Kommunikation):

  • Für Menschen mit Sehbehinderung/Blindheit müssen die Seiten technisch-gestalterisch barrierefrei sein.
  • Für taube Gebärdensprachnutzer müssen alle(!) Informationen in Gebärdensprachvideos bereitgestellt werden.
  • Für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen sollten alle wesentlichen Informationen in Schriftsprache angeboten werden, zudem sollten möglichst wenig Sinnesreize (Bewegung, Farben) und keine unkontrollierbaren Automatismen vorhanden sein.

Unterschiedliche kommunikative Anforderungen beachten

Noch wichtiger ist, dass das Tool das Einreichen und möglichst auch Diskutieren und Bewerten von Fragen und Ideen an die Wissenschaft erlaubt. Was im Zeitalter von Facebook, Twitter & Co trivial erscheinen mag, ist es bei genauerer Betrachtung nicht.

Die kommerziellen Kommunikations-Plattformen kommen für diesen Zweck nicht in Frage. Gleichzeitig sind neben IT-Sicherheit und Datenschutz auch wieder die kommunkativen Anforderungen zu berücksichtigen:

  • Technisch-gestalterische Barrierefreiheit ist auch an dieser Stelle für Menschen mit Sehbehinderung/ Blindheit ein Muss, bei allen Arten von Eingabemöglichkeiten aber keine Selbstverständlichkeit.
  • Gehörlose erwarten die Möglichkeit, ihre Fragen und Ideen per Gebärdensprachvideo einreichen zu können. Dies unter Einhaltung des Datenschutzes zu gewährleisten ist nicht trivial. Zudem müssen die Beiträge in Schriftsprache übersetzt werden, was entsprechende Zugriffsmöglichkeiten und Vorkehrungen für Gebärdensprachdolmetscher*innen erfordert.
  • Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen hingegen kommen – gestalterische Barrierefreiheit für sie vorausgesetzt – asynchrone schriftliche Kommunikationsmöglichkeiten sehr entgegen.

Für die Suche nach einem geeigneten Tool haben wir mehrere Ansätze gewählt: Expertenbefragungen und eigene Recherchen, in technisch einschlägigen Medien,in Literatur über Partizipationsverfahren sowie im Internet entlang der Fragestellung: Was nutzen die Menschen mit den einschlägigen Behinderungen selbst für die Kommunikation?

Content Management Systeme

Dabei stellte sich relativ schnell heraus, dass aktuell im wesentlichen zwei technische Möglichkeiten in Frage kommen: Entweder Lösungen, die explizit digitale Partizipationsverfahren unterstützen oder moderne Content Management Systeme, die eine Vielzahl von (Zusatz-)Funktionen bieten.

Die von uns zunächst präferierten existierenden Lösungen für digitale Bürgerbeteiligung zeigten sich als nicht geeignet für die von uns ausgewählten drei Gruppen. Entweder erfüllen sie die grundlegenden Anforderungen an technisch-gestalterische Barrierefreiheit nicht oder sie werden den spezifischen Kommunikationsbedürfnissen nicht gerecht. Insbesondere das Einbinden von Gebärdensprachvideos scheint eine hohe Hürde zu sein.

Open Source Software: WordPress

Letztlich entschieden wir uns dann für das freie Content Management System WordPress zur Installation auf dem eigenen Server. WordPress wird nicht nur von vielen Menschen mit Behinderungen im Internet vor allem zum Bloggen genutzt, es ist auch das weitverbreiteste System zum Betrieb von Websites (lt. Wikipedia) und Open Source Software. Vor allem legen aber die Entwickler*innen sehr viel Wert auf Benutzerfreundlichkeit und die Einhaltung von Webstandards, so dass WordPress relativ einfach technisch – gestalterische Barrierefreiheit ermöglicht.

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