[3] Ergebnisse: Anforderungen

Zugänglichkeit

Ausgehend davon, dass Partizipation per Internet und mit digitalen Mitteln erfolgt, wurden unterschiedliche digitale Techniken auf ihre Zugänglichkeit hin untersucht. Ganz generell gilt: Menschen mit Behinderungen wollen das Internet nutzen, wie alle anderen Menschen auch. Dabei stoßen sie allerdings auf eine Vielzahl unterschiedlicher Barrieren, je nach Art und Grad ihrer Behinderung.

Diese Barrieren ergeben sich häufig

  • aus dem Design der Internetseiten und der verwendeten Tools ergeben (z.B. schlecht gewählte Farben oder zu schnelle Bildwechsel),
  • aus Nichtbeachtung der Regeln für Barrierefreiheit bei der Content-Erstellung und Pflege (z.B. keine Alternativ-Texte, die Bilder beschreiben oder keine Untertitel für Videos),
  • aus der Technik (z.B. unkontrollierbare Automatismen oder „harte“ Formatierungen, die keinen Zoom und keine Änderung der Schriftart zulassen)
  • oder aus der für Partizipationsverfahren besonders relevanten Sprachverwendung und Kommunikation (z.B. nur anspruchsvolle Schriftsprache).

Im Rahmen des Projekts Partii haben wir uns besonders auf den letzten Aspekt, die Kommunikation konzentriert, und auf die Anforderungen dreier ausgewählter Gruppen von Menschen mit Behinderungen, nämlich

  • mit Sehbehinderungen/Blindheit,
  • mit Autismus-Spektrum-Störungen sowie
  • taube Gebärdensprachnutzer.

Unterschiedliche Anforderungen an digitale Hilfsmittel

Diese drei Gruppen stellen jeweils sehr spezifische und sehr unterschiedliche Anforderungen an digitale Kommunikation.

Allerdings reicht es auch nicht aus, nur für eine barrierefreie Kommunikation zu sorgen. Vorher muss auf der technisch-gestalterischen Ebene die Zugänglichkeit der Internetseiten und verwendeten digitalen Tools sichergestellt werden, damit Kommunikation überhaupt zustande kommen kann. Auch hier gilt:

Jede der drei Gruppen stellt unterschiedliche Anforderungen und nutzt unterschiedliche digitale Hilfsmittel.

Ausgeprägte Sehbehinderung oder Blindheit führt für die Betroffenen zu starken Einschränkungen in allen Lebensbereichen, sei es im Alltag, in der Mobilität oder bei der Berufsausübung. Menschen mit Sehbehinderungen profitieren von der allgemeinen Digitalisierung stärker als andere. Ihre Möglichkeiten zur Teilhabe haben sich durch die Nutzung von Computern und anderen digitalen Hilfsmitteln deutlich erweitert, ihr Zugang zu Informationen ist einfacher geworden.

Der digitale Raum ist voller Barrieren

Allerdings hält der digitale Raum und insbesondere das Internet für Sehbehinderte und Blinde eine Vielzahl von Barrieren bereit. Es beginnt mit der Ein- und Ausgabe: Weder Touchscreens noch Mäuse sind für sie bedienbar, Bilder, Texte und Buttons auf Bildschirmen können sie nicht erkennen. Also müssen sie Screenreader (oder andere spezielle Ausgabegeräte) nutzen, die Bildschirminhalte vorlesen und eine Steuerung per Tastatur oder Spracheingabe dadurch ermöglichen, indem sie Informationen zu Strukturen und Bedienelementen ansagen.

Jedes einzelne Programm, jede App und jede Webseite muss dafür auf den beiden Ebenen Gestaltung wie Technik die für Screenreader notwendigen Voraussetzungen, Einstellungen und Angaben aufweisen.

Angesichts der steigenden Komplexität von Softwareund Systemen, auch im Internet, sowie ständiger Änderungen sind dies hohe Anforderungen, die häufig nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt werden.

Partizipationsangebote so zu gestalten, dass auch Menschen mit Sehbehinderungen/Blindheit teilnehmen können, ist zwar eine Herausforderung. Aber die technisch-gestalterischen Anforderungen an Software, Internetseiten und digitale Medien sind bekannt und Gegenstand der einschlägigen Richtlinien des W3C bzw. der BITV.

Barrierefreiheit erfordert dauerhafte Aufmerksamkeit

Allerdings erfordert Barrierefreiheit für Menschen mit Sehbehinderung/Blindheit dauerhaft Aufmerksamkeit. Denn selbst kleine Änderungen (Updates) können zu Problemen mit Screenreadern und damit zum Ausschluss führen. Noch wichtiger ist die dauerhafte Pflege von Inhalten, auf Webseiten wie in Dokumenten: Bilder, Grafiken, Karten und Formulare können für jemanden, der wenig oder gar nichts sieht, unüberwindliche Hürden sein, wenn sie nicht angemessen gestaltet und mit den notwendigen Zusatzinformationen versehen sind, so dass sie sich durch technische Hilfsmittel erschließen lassen.

Reizüberflutung behindert Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen

Autismus-Spektrum-Störungen gehören zu den psychischen Beeinträchtigungen mit einer deutlich wachsenden Zahl von in unterschiedlichem Ausmaß Betroffenen. Autismus-Spektrum-Störungen bezeichnen Besonderheiten in der Wahrnehmung und der Verarbeitung von Umwelt- und Sinneseindrücken.

Aus der Problematik der Reizüberflutung resultieren Besonderheiten im Verhalten wie Schwierigkeiten im Umgang mit Anderen. Insbesondere direkte Kommunikation und soziale Interaktionen sind durch die spezielle Wahrnehmung emotionaler Signale häufig beeinträchtigt und werden von Menschen mit ausgeprägten Autismus-Spektrum-Störungen vermieden. Es kommt daher in allen Lebensbereichen zu mehr oder weniger großen Einschränkungen.

Auch Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen profitieren von der allgemeinen Digitalisierung und den Möglichkeiten der Internet-Nutzung. Allerdings haben sie im Internet sehr spezifische Anforderungen an Barrierefreiheit, da sie sowohl zu viele Sinnesreize fürchten, als auch mögliche Kontrollverluste. Werbeeinblendungen stören genauso wie Oberflächen oder Webseiten, die sich je nach Benutzer und Kontext automatisch ändern.

Partizipationsangebote technisch so zu gestalten, dass auch Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen teilnehmen können, ergibt daher vor allem Herausforderungen für das grafische wie technische Design einschlägiger Webanwendungen und Medien.

Schriftsprache stellt hörgeschädigte Menschen vor Probleme

Taube Gebärdensprachnutzende haben überwiegend seit ihrer Kindheit eine starke Hörschädigung, die den meisten von ihnen keinen Spracherwerb auf natürlichem Weg erlaubt hat. Gepaart mit einer traditionell starken Benachteiligung in der Bildung, ergeben sich große Schierigkeiten bei der Anwendung der Laut- und Schriftsprache.

Von der allgemeinen Digitalisierung profitieren hörgeschädigte Menschen mit Kenntnissen in der

Schriftsprache deutlich stärker als diejenigen, die Kommunikation per Gebärdensprache bevorzugen oder auf sie angewiesen sind. Für die Gebärdensprachler*innen sind vor allem die deutlich größeren nationalen wie internationalen Vernetzungsmöglichkeiten untereinander ein Gewinn. Dabei profitieren sie von preiswerten Videotelefonaten und -konferenzen, die Kommunikation in Gebärdensprache erlauben. Spezifische technische Anforderungen haben Menschen mit starken Hörbehinderungen/Taubheit kaum, dafür kämpfen sie mit hohen Barrieren bei der Kommunikation.

Technische Kriterien für digitale Barrierefreiheit beachten

Betrachtet man die technisch-gestalterischen Anforderungen der drei Gruppen gemeinsam, so ergibt sich, dass sie im Wesentlichen durch die in den einschlägigen Richtlinien bereits festgelegten Kriterien für digitale Barrierefreiheit abgedeckt sind. Insbesondere die Menschen mit starker Sehbehinderung/ Blindheit sind auf die Erfüllung dieser technisch-gestalterischen Anforderungen zwingend angewiesen, Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen profitieren ebenfalls sehr, wenn diese Anforderungen erfüllt werden.

Weiter zu [4] Anforderungen: Kommunikation

Zurück zur Übersicht